Ankomme Freitag den 13. um 14 Uhr
- Lesezeit 8 Minuten - 1644 WörterEs rappelt am Briefschlitz, es ist viertel nach sieben.
Wo, um alles in der Welt, sind meine Latschen geblieben?
[…]
So tapp’ ich zum Briefschlitz durch den Flur unwegsam,
Falle über meinen Dackel auf ein Telegramm.
Ich les’ es im Aufsteh’n mit verklärter Miene,
„Ankomme Freitag, den 13. um 14 Uhr, Christine!“1
So eröffnete Reinhard Mey 1967 sein berühmtes Lied über den legendären Unglückstag, der sich immer an einem Freitag ereignet, wenn grad der 13. ist.
Was hat es also mit diesem besonderen Datum auf sich?
Und: „Wer hat’s erfunden?”2
Die Legende vom Unglückstag
Der Mey-Song scheint zu suggerieren, das Problem wäre die self-fulfilling prophecy des Unglückstages, aber ist das in der Wirklichkeit auch so? Dann erwartete ich an diesen vergleichsweise seltenen Tagen z. B. eine deutlich höhere Zahl von Versicherungsschäden.
In der deutschen Wikipedia finde ich hingegen folgende Information:
Gleichzeitig zeigt eine Auswertung der Zürich Versicherung, daß an Freitagen, die auf den 13. eines Monats fallen, signifikant weniger Schadensfälle verzeichnet werden als an allen anderen Freitagen im Jahr.
Es scheint nach dieser Auswertung der Versicherung also eher eine self-denying prophecy zu sein.
Im gleichen Wikipediaartikel finde ich noch folgende interessante Bemerkung:
Eine Auswertung von Krankmeldungen der Jahre 2006 bis 2008 ergab, dass an solchen Freitagen drei- bis fünfmal so viele Arbeitnehmer krankgeschrieben sind wie im Durchschnitt.
Zusammengenommen spricht das statt für eine self-fulfilling prophecy eher für folgenden Mechanismus der Schadensvermeidung:
- Ich weiß, daß es der 13. ist und Freitag dazu, ergo bin ich vorsichtig. Risiko vermeide ich, wo es geht.
- Deswegen melde ich mich vorsichtshalber krank, um nicht im Straßenverkehr oder in Werkstatt, Fabrik, Büro Unheil anzurichten oder zu erleben.
- Dadurch gibt es weniger Unglücke.
Vielleicht kommt es gelegentlich, wenn sich riskante Aktivitäten nicht vermeiden lassen, zu Pech-Kaskaden wie in „Ankomme Freitag” — aber schließlich kommt da ja auch Christine, und Reinhard kann nicht, will nicht absagen: jedem Menschen, Chef oder was auch immer, aber nicht Christine!
Bloß stehen diesem Einzelfall in der Wirklichkeit anscheinend Hunderttausende von Regelfällen gegenüber, die die Statistik mehr als korrigieren.
Wie die Legende entstand
Natürlich haben wir alle schon gehört, daß die 13
immer schon eine Unglückszahl war, so mit Judas als der dreizehnten Person am Tisch des Abendmahls. (Oder alternativ in der nordischen Mythologie: Loki als der 13. Gott bei der Raue für Baldur, dessen Tod er zu verantworten hatte.)
Und außerdem sei der Freitag immer schon als Unglückstag betrachtet worden, allein schon, weil Jesus da gekreuzigt wurde.
Alles plausibel, aber wurde nicht genau auf diese Weise die Schuld der Welt, die Erbsünde getilgt?
Ist das unglücklich?
Aber im Ernst: wenn das hinter der Legende vom Freitag, dem 13. als Unglückstag stecken sollte – müßte es dann nicht seit Jahrhunderten Erwähnungen davon geben?
Die deutsche Wikipedia stellt jedenfalls nüchtern fest:
Zwischen 1307 und 1907 fehlt es bisher an schriftlichen Erwähnungen des Freitags des 13. als Unglückstag. Im Online-Archiv der New York Times findet sich keine Erwähnung von Friday the 13th vor 1907. Die Erstausgabe der New York Times erschien rund 56 Jahre früher am 18. September 1851.
Die erste Erwähnung des Unglücksmythos scheint danach auf den Roman Friday the 13th von Thomas William Lawson zurückzugehen, der 1906 als Fortsetzungsroman in Zeitungen und dann 1907 als recht erfolgreiches Buch – noch im ersten Jahr in sechs Sprachen übersetzt – erschien.
Lawson (geboren am 26. Februar 1857 und gestorben am 8. Februar 1925) war ein zeitweise sehr erfolgreicher Börsenmakler und Schriftsteller, der wahrscheinlich der Erfinder des Mythos ist, wegen dem es wohl auch heute wieder überdurchschnittlich viele Krankmeldungen gegeben haben dürfte.
An Freitag, dem 13. sollten mehr Unfälle passieren
Klopfen wir die Wirklichkeit und die Statistik mal etwas ab …
Wir werden gleich sehen, daß statistisch eigentlich mehr zu erwarten wären, weil Freitag der 13 einfach häufiger vorkommt als als alle anderen Freitagsdaten.
Vor gut zehn Jahren, genau am 13. Februar 2015 (natürlich einem Freitag!), hat Erich Neuwirth3 auf seinem Blog eine Analyse der Häufigkeit der Wochentage veröffentlicht.
Erich benutzte für die Auszählung Microsoft Excel und stellte das Spreadsheet auch zum Download zur Verfügung. Ich will hier ebenfalls ein paar der erforderlichen Datumsberechnungen vorführen, aber in einem meiner Lieblingswerkzeuge, der Programmiersprache R4 — und darin einen ewigen Kalender bauen.
Der ewige Kalender
Zunächst lege ich in R die Werkzeuge zurecht und lade die Ergänzungspakete.
suppressPackageStartupMessages(library("tidyverse"))
## Beim Laden der Pakete des *tidyverse* kommen normalerweise
## etliche Meldungen, die ich euch aber hier ersparen möchte-
Die eigentlichen Datumsfunktionen befinden sich im Paket lubridate, das aber inzwischen im tidyverse automatisch mitgeladen wird.
Wie auch Erich in seinem Blogpost schon vorgerechnet hat, wiederholt sich die vollständige Datumssequenz beim gregorianischen Kalender alle 400 Jahre.
Also brauchen wir alle Daten aus 400 Jahren mit der Wochentagszuordnung:
# Ich lasse die Datumssequenz am 01. Januar 1600 beginnen
# und bis zum 31. Dezember 1999 laufen.
start_date <- as.Date("1600-01-01")
end_date <- as.Date("1999-12-31")
# Nun soll **R** mal den ewigen Kalender bauen:
kalender <-
# Ein tibble ist so etwas ähnliches wie eine Tabelle
tibble("Datum" = seq(start_date, end_date, by = "days")) |>
# fügen wir ein paar zusätzliche Felder hinzu, damit wir bequemer
# filtern können. Die Namen sind selbsterklärend
mutate(
Tag = day(Datum),
Monat = month(Datum),
Jahr = year(Datum),
Wochentag = wday(
Datum,
label = T,
abbr = F,
week_start = getOption("lubridate.week.start", 1),
locale = "de_DE.UTF-8"
)
)
# so sieht der Anfang aus:
kalender
# A tibble: 146,097 × 5
Datum Tag Monat Jahr Wochentag
<date> <int> <dbl> <dbl> <ord>
1 1600-01-01 1 1 1600 Samstag
2 1600-01-02 2 1 1600 Sonntag
3 1600-01-03 3 1 1600 Montag
4 1600-01-04 4 1 1600 Dienstag
5 1600-01-05 5 1 1600 Mittwoch
# ℹ 146,092 more rows
Und jetzt ist die Zählung nur noch ein Klacks:
knitr::kable(table(kalender$Tag, kalender$Wochentag), format = "pipe", row.names = TRUE)
Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Samstag | Sonntag | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 |
2 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 |
3 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 |
4 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 |
5 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 |
6 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 |
7 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 |
8 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 |
9 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 |
10 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 |
11 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 |
12 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 |
13 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 |
14 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 |
15 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 |
16 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 |
17 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 |
18 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 |
19 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 |
20 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 |
21 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 |
22 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 |
23 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 |
24 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 | 687 |
25 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 | 685 |
26 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 | 685 |
27 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 | 687 |
28 | 687 | 685 | 685 | 687 | 684 | 688 | 684 |
29 | 641 | 644 | 642 | 642 | 643 | 641 | 644 |
30 | 631 | 626 | 631 | 627 | 629 | 629 | 627 |
31 | 399 | 401 | 398 | 402 | 399 | 401 | 400 |
Die höchste Zahl in dieser Tabelle5 ist 688 — und wir finden sie, unter anderem, in der 13. Zeile, Spalte „Freitag” …
Keine Datums-Wochentagskombination ist häufiger als Freitag, der 13. [Fußnote: Natürlich sind z. B. Samstag, der 14. oder Freitag, der 6. genauso häufig.
Nehmen wir einmal an, daß alle Unglücke zufällig und an allen Tagen gleich wahrscheinlich sind, dann müssen wir für unseren Unglückstag (kommt 688 mal in 400 Jahren vor) mehr Unglücksfälle erwarten als z. B. Für Donnerstag oder Samstag, den 13. (kommen nur 684 mal vor)
Genauer würden wir (688 - 684)/684 * 100 =
0.5848 %
mehr Unglücksfälle erwarten.
Auch das spricht also eher dafür, daß es sich um eine self-destroying prophecy handelt, denn es gibt ja eher weniger Unglücke.
Werbegag Freitag, der 13.
Eine Kuriosität am Rande will ich noch vermerken:
Zur Verkaufsförderung und Einflussnahme auf die Politik wird von verschiedenen Brandschutzorganisationen seit dem Jahr 2006 ein Freitag, der 13. zum Rauchmeldertag ausgerufen. Der Aktionstag wird von Feuerwehren, Schornsteinfegern, Versicherungen und Brandmelderherstellern unterstützt. Verbraucher werden durch Aktionen und Presseinformationen zum Kauf von Rauchmeldern motiviert und außerdem gezielt Vermieter und Wohnungsbesitzer angesprochen.
Quelle auch hier die deutsche Wikipedia
Unglückstage zum Vormerken für die nächsten 10 Jahre
Zum Schluß lasse ich mir noch eben die Unglückstage der nächsten 10 Jahre anzeigen:
fr_13_ab_25 <- kalender |>
filter(
between(Jahr, 1625, 1635),
Wochentag == "Freitag",
Tag == 13) |>
select(Datum) |>
# da die `Stammperiode* dieses Kalenders von 1600 bis 1999 läuft
# müssen noch 400 Jahre aufaddiert werden
mutate(
Datum = strftime(
Datum + years(400),
format = "%A, %d.%m.%Y")
) |>
knitr::kable(format = "simple") |> # kable übernimmt die Tabellenausgabe im Blog
print(n = Inf)
Datum
--------------------
Freitag, 13.06.2025
Freitag, 13.02.2026
Freitag, 13.03.2026
Freitag, 13.11.2026
Freitag, 13.08.2027
Freitag, 13.10.2028
Freitag, 13.04.2029
Freitag, 13.07.2029
Freitag, 13.09.2030
Freitag, 13.12.2030
Freitag, 13.06.2031
Freitag, 13.02.2032
Freitag, 13.08.2032
Freitag, 13.05.2033
Freitag, 13.01.2034
Freitag, 13.10.2034
Freitag, 13.04.2035
Freitag, 13.07.2035
Reinhard Mey mußte am Ende seines Katastrophentages feststellen:
Heut ist erst der 12. und Donnerstag!1
Das Problem haben wir nicht, heute ist Freitag, 13.06.2025.
Dieses Zitat und alle weiteren von Reinhard Mey stammen aus der 14. Auflage seiner Textsammlung (S. 55 ff), die kostenlos von seiner Website heruntergeladen werden kann ↩︎ ↩︎
Soviel kann ich schon einmal verraten: Die Schweizer waren es nicht. ↩︎
Damals natürlich auf *Twitter. Heute ist er auf Bluesky als @neuwirthe.bsky.social unterwegs. ↩︎
R ist eine professionelle, auch, aber nicht nur, im akademischen Bereich sehr verbreitete Statistiksoftware, die zudem noch freie Software ist (free as in free beer, and free as in freedom). Seit ich R vor ein paar Jahrzehnten entdeckte, habe ich mich nie wieder nach kommerziellen Statistikprogrammen gesehnt. ↩︎
in R:
max(table(kalender$Tag, kalender$Wochentag))
↩︎